Pfarrer Mittag geht in den Ruhestand

Pfarrer Moritz Mittag © Nora Hechler

Nach 37 Dienstjahren in Eppstein und Bremthal geht Pfarrer Moritz Mittag Ende des Jahres in den Ruhestand.

Der 65-Jährige wurde 1987 für den Dienst in der Eppsteiner Pfarrstelle II eingeführt. Vor seiner Ordination gab ihm der damalige Propst direkt eine Mammutaufgabe mit auf den Weg: „Gehen Sie nach Bremthal und bauen Sie dort eine Gemeinde auf“, hieß es. „Und dann saß ich da. In einer zu großen Wohnung in Bremthal, ohne Kontakte und sollte hier eine Gemeinde gründen“, erzählt Mittag. In der ihm zur Verfügung gestellten, zweigeschossigen Wohnung sollten in den unteren Räumen Gemeinde-Veranstaltungen stattfinden. Er fing mit Jugendarbeit an, lud die Konfirmand:innen des letzten Jahrgangs  zu einer gemeinsamen Fahrt und zu wöchentlichen Treffen ein.  Danach startete er mit einer Teamer-Ausbildung. „Ich hatte zum Glück Teamer aus meinem Vikariat in Ingelheim, die mich unterstützt haben. Irgendwann waren es bis zu 70 Jugendliche, die in meine Wohnung kamen. Wir haben zusammen Ausflüge gemacht, diskutiert und gekocht. In meiner Küche. Und alles ohne Geld und Material, wir haben aus ganz wenig etwas gemacht, viel improvisiert und ich habe auch vieles selbst bezahlt", berichtet Mittag.

Mit den Gottesdiensten war die Gemeinde zunächst in der katholischen Kirche zu Gast. „Da war ich Küster und Pfarrer in einer Person – habe vorher in Eppstein zum Beispiel das Abendmahlgeschirr geholt“, erklärt Mittag „Aber ohne eigenes Dach über dem Kopf ist es wahnsinnig schwer für eine Kirchengemeinde. Mir wurde dann ziemlich schnell klar, dass wir eigenes Geld brauchten", erzählt er weiter. Die von der Landeskirche zugewiesenen Haushaltsmittel für die Gemeindeglieder des Pfarrbezirks II (Bremthal, Ehlhalten, Niederjosbach) mussten aus dem Gesamthaushalt der evangelischen Gemeinde Eppstein (Pfarrbezirk I & II) dem Pfarrbezirk II überlassen werden. Es war ein längerer Prozess, der irgendwann endlich erfolgreich war. Der Gemeindehausbau und seine Finanzierung waren anschließend das schwierigste und wichtigste Projekt. Vor 27 Jahren war es dann endlich soweit: das neue Gemeindezentrum der Emmausgemeinde konnte eingeweiht werden. Dank vieler Spender konnte der 1988 gegründete Förderverein der Gemeinde unter anderem die Schreiter-Kirchenfenster, die Orgel und die Glocken selbst finanzieren. „Dazwischen lagen mühselige Aufbaujahre mit einer enorm hohen Arbeitsbelastung", so Mittag. Nach der Jugend kamen in der Gemeinde die anderen Arbeitsfelder dazu. Seniorengruppe, Männergruppe, Musik. Er habe sich immer Leute gesucht, die etwas machen wollten. „Beziehungen und sich um die Menschen kümmern. Das ist der Schlüssel. Nicht nur, indem man schaut, ob sie nützlich sind. Das ist es auch, was mich trotz aller Widrigkeiten immer wieder motiviert hat. Die Begeisterung der Engagierten. Zu sehen, wie viel wir gemeinsam gemacht und geschaffen haben. Mit den Jugendlichen, dem Kirchenvorstand, der 2005 gegründeten Stiftung", ergänzt er.

Mittag packt selbst mit an, wo er kann. Das habe seiner Meinung nach auch Signalwirkung. „Diese Einstellung ist auch das Besondere an unserer Gemeinde und sie wird an andere weiter getragen. Weil die Leute selbst die Gemeinde mit aufgebaut und mit geholfen haben, empfinden sie so eine starke Identifikation. Wir machen vieles selbst, arbeiten hier im Sinne der urchristlichen Gemeinde. Ihre Mitglieder sind aufgefordert, das, was ihnen wichtig ist, darzustellen. Und das tun die vielen Engagierten hier", erzählt er. Das sei auch im Hinblick auf die Zukunft wichtig. Zumal die Bremthaler Pfarrstelle zum Ende des Jahres auf eine halbe reduziert wird. Diese wird ab Januar von Pfarrerin Ivonne Heinrich aus Diedenbergen übernommen. Seinen Ruhestand habe Mittag darüber hinaus schon vorbereitet, indem er sich konsequent aus allem gelöst habe, wo er eine tragende Rolle spielte. Den neuen Konfirmandenjahrgang hat zunächst die Johannesgemeinde Hofheim aus dem neuen Nachbarschaftsraum übernommen.

Seine Haltung, die sich durch die Zeit in der Emmausgemeinde noch verstärkt hat, betont er gerade im Zusammenhang mit dem derzeitigen Reformprozess „ekhn2030" noch einmal: „Man kann immer etwas gemeinsam entwickeln. Auch wenn man weniger Mittel hat. Wichtig ist es, die guten Möglichkeiten der Zukunft zu sehen und zu gestalten". Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit von Veränderungen dürfe man jedoch nicht die Identität der Kirchengemeinden zerstören. „Außerdem brauchen die Menschen den persönlichen Bezug vor Ort.  Deshalb sind die Gemeinden mit ihren Büros auch weiterhin so wichtig", ergänzt er.

Im Ruhestand wird er in Bremthal wohnen bleiben und freut sich auf mehr selbstbestimmte Zeit zum Lesen, für ausgiebige Opern- und Museumsbesuche und das Neue, das auf ihn zukommt.

Von der Kirchengemeinde verabschiedet sich Pfarrer Mittag im Gottesdienst am 1. Advent (1. Dezember) um 11 Uhr im Gemeindezentrum der Emmausgemeinde. Die Verabschiedung durch Propst Oliver Albrecht am Vorabend findet aufgrund der eingeschränkten räumlichen Kapazitäten mit geladenen Gästen statt.