Sie haben eine einjährige Ausbildung absolviert und dürfen ab sofort Gottesdienste auf der Grundlage von bereitgestellten Gebeten und Predigten abhalten. Im Sinne Luthers „Priestertums aller Gläubigen“ geht der Ernennung zum Prädikanten zunächst diese Lektoren-Ausbildung voraus. Die anschließende Ausbildung zum Prädikanten dauert noch einmal knapp zwei Jahre. Im Unterschied zu Lektor:innen dürfen Prädikant:innen selbst formulierte Gebete und Predigten verwenden. Mit dieser erweiterten Ausbildung sind sie auch beauftragt, zu taufen und das Abendmahl mit den Gemeinden zu feiern. Die Ausbildungskurse beinhalten jeweils ein Gemeindepraktikum, in dem das Erlernte praktisch eingeübt und umgesetzt wird. Alle angehenden Lektor:innen werden für die Dauer des Kurses von Pfarrer:innen in einem Mentoring begleitet und halten auch bereits erste Gottesdienste.
Oliver Albrecht, Propst für Rhein-Main, betonte in seiner Predigt, wie wertvoll der Dienst der Lektor:innen in der evangelischen Kirche sei, gerade in Zeiten, in denen es Pfarrer:innen gar nicht mehr schafften, alle Gottesdienste so abzudecken wie bisher. „Sie sind ein Geschenk für die Gemeinden“, so Propst Oliver Albrecht. „Mit all Ihrer Zeit, die Sie in Ihre Ausbildung und auch in den Dienst in den Gemeinden stecken.“ Mit dem Predigttext aus dem 1. Petrusbrief brachte der Propst den Lektor:innen ein dreifaches Geschenk mit, denn dieser enthalte Antworten auf die Frage nach dem wahren Mut, eine Adresse für unsere Sorgen und einen Hinweis darauf, wo unser Leben gefährdet sei.
„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade“ stehe dort. „Die Demütigen wissen, was sie drauf haben, was sie können, weil sie auch wissen, was sie nicht können“, legt Oliver Albrecht aus. „Deshalb heißt Demut heute für mich: aufwachen aus dem Alptraum ungelebten Lebens und das Leben, wie es echt ist, anfangen.“ So könne man erfüllt mit mutiger Demut herausfinden, wofür es zu kämpfen lohnt und wofür man auf- und einstehen soll – auch und gerade in schweren Zeiten. „Alle Eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für Euch!“ – so sagt Petrus weiter und da spreche er nicht von einem leicht geworfenen Federball, sondern von einem kraftvollen Wurf. „Ich träume von einer jungen Kirche, die wieder mutiger und freier auftritt, nicht nur tröstet sondern auch kämpft, nicht nur Not lindert, sondern auch Ursachen laut beim Namen nennt“, so Oliver Albrecht. Das dritte Geschenk des Textes sei die Frage: „Wo liegt die Gefahr?“ Für die Kirche läge sie darin, sich in diesen aufwühlenden und aufgewühlten Zeiten in die private Wohlfühlzone zurückzuziehen und den öffentlichen Raum preiszugeben. Es sei an der Zeit, sich weniger mit sich selbst und mehr mit der Frage zu beschäftigen, was Gott eigentlich von uns wolle. „Kein Credotainment. Keine religiöse Berieselung“, so Oliver Albrecht. „Sondern der Auftrag der Liebe und Barmherzigkeit, die Mission der offenen Herzen und Türen, das Credo der Freiheit und Gastfreundschaft.“ So dürften und so sollten die Lektorinnen und Lektoren predigen – in aufrechter Demut, ernsthafter Sorglosigkeit und für den Auftrag.
Für die Dekanate Hochtaunus und Kronberg sind weiterführende Prädikanten-Ausbildungskurse derzeit in Planung – Termine stehen noch nicht fest.